Mein Geburtstag war in diesem Jahr am Pfingstmontag – eigentlich feiert man da etwas anderes. Es war der Geburtstag nach dem runden, den wir im vorigen Jahr im größeren Rahmen gefeiert hatten. Also war dieses Jahr eher etwas Ruhiges angesagt.
Das Leben ändert sich im Laufe eines Jahres – die Verwandten, die eigentlich kommen wollten, konnten wegen einer schweren Erkrankung nicht kommen. Unsere Freunde hatten einen Urlaub geplant. Eine Freundin hatte einen Trauerfall in der Familie.
Und ich hatte nachgedacht, aber ich wollte niemanden einladen. Einmal kein Termin, keine Planung – außer einer Geburtstagstorte vom Bäcker – dafür viel Zeit für mich und meine Lieben. Zeit zum Telefonieren mit lieben Freunden und denjenigen Gratulanten, von denen man nur am Geburtstag und zu Weihnachten hört. Zeit, sich an den vielen Briefen, Emails und Geschenken zu freuen.
Trotzdem war ich am Pfingstsonntag ein wenig aufgeregt – es war ein Gefühl wie Ostersamstag, wenn man noch die Eier färben will. Den Nachmittag hatte ich gemütlich am Schreibtisch verbracht, war im Flow mit einem neuen Buchprojekt. Mit einem Male war es 19 Uhr – Senta hatte sich gar nicht gemeldet, so entfiel heute der Spaziergang.
Bevor ich meinen Mann weckte, packte ich noch schnell einige Päckchen mit Geburtstagsgeschenken. Früher hatte mein Mann das noch selber gemacht, das war immer das größte Geschenk für mich, weil es ihm schon immer schwer gefallen war, Päckchen zu packen. Nun also packte ich die selbst besorgten Geschenke in buntes Papier ein – Bücher und eine Schachtel Lindt Pralinen, die es bei uns zu jedem Geburtstag gibt. Ich dachte, dass Geschenke eigentlich nicht das Wesentliche sind, aber doch dazu gehören. Und natürlich Blumen.
Die Geburtstagsblumen – ein Margeritenbäumchen – hatte ich schon einige Tage zuvor aus der Gärtnerei mitgebracht, es stand auf der Terrasse, gerade vor der Küchentür. Vor zwei Jahren war ich noch mit meinem Mann im Rollstuhl zur Gärtnerei im Dorf gefahren und er hatte mir das Bäumchen ausgesucht. Diesmal ging das nicht, denn in unserem Dorf sind Straßenbauarbeiten und man kann das Haus mit dem Rollstuhl nicht verlassen. Einen Strauß mit wundervollen dunkelroten Pfingstrosen hatte ich schon am Samstag von einer Bekannten bekommen, die Montag nicht kommen konnte. Und dazu der herrliche Flieder und die anderen blühenden Büsche in unserem Garten und dahinter die Zierkirsche unserer Nachbarn.
Nach dem Abendessen schauten wir einen Film an, und kurz vor Mitternacht baute ich meinen Geburtstagstisch auf – wie jedes Jahr. Die Päckchen, Blumen, eine Kerze und die vielen Briefe, die gekommen waren. Um Mitternacht gab es ein Glas Sekt und das Geburtstagslied vom iPhone: „Wie schön dass Du geboren bist“ – wie jedes Jahr. Die ersten Glückwünsche trafen über das Internet ein.
Mein Mann und ich stießen mit den Sektgläsern an, später probierten wir die Pralinen. Er konnte nicht viel sagen, aber ich war glücklich, dass wir zusammen fröhlich waren. Und unsere Senta war natürlich auch dabei, die kennt das inzwischen schon, wenn Geburtstag ist. Schließlich hatte sie vor ein paar Tagen ja auch Geburtstag, sie ist zwei geworden. Voller Freude machte sie sich über das bunte Geschenkpapier her, nachdem ich die Päckchen ausgepackt hatte. Und eine Praline ergatterte sie auch.
Es war schon spät und wir waren auch etwas müde, als wir endlich im Bett waren. Ich hatte ja schon zwei Tage ohne Hilfe bei der Pflege hinter mir – die Pflegekräfte brauchen am Wochenende auch mal eine Auszeit, egal ob Geburtstag ist oder nicht. Schon früh wurde ich von dem Klicken der ersten eintreffenden SMS geweckt. Ich stand auf, holte ich mir ein Glas Wasser und eine Aspirin und beschloss, mich wieder hinzulegen. Senta wartete schon vor der Schlafzimmertür und wollte erst einmal ausgiebig schmusen.
Ich hatte mich gerade wieder hingelegt, als der erste Anruf kam. Und dann noch einer, ich wurde munterer und saß am Computer, wo ich über eine wahre Flut von Geburtstagsglückwünschen per Mail und in den verschiedenen Netzwerken staunte. Senta hatte inzwischen die Gelegenheit genutzt und war ins Schlafzimmer gegangen – sie saß ganz brav vor dem Bett meines Mannes.
Bis zu dem Moment, als ich mich wieder hinlegen wollte. Ein Satz und sie lag im Bett, zwischen uns beiden und streckte sich wohlig aus. Na ja, dachte ich, ist eben Frauchens Geburtstag, da muss der Hund es ja auch mal gut haben. Und später zog ich dann die Bettwäsche ab, denn Senta war vorher schon im Garten gewesen.
Es war ein schöner Vormittag, es kam Besuch, das Telefon klingelte, ich las Emails und elektronische Grußkarten, traf meine Nachbarn im Garten und kümmerte mich zwischendurch um meinen Mann, der ganz ruhig im Bad saß. Irgendwann saßen wir dann am Frühstückstisch, kurz darauf kamen meine Nachbarn. Wir schnitten die Geburtstagstorte an und redeten über neue Buchprojekte.
Am Nachmittag kehrte ein wenig Ruhe ein und ich freute mich an meinen neuen Büchern – natürlich passend zu meiner jetzigen Tätigkeit als Verlegerin. „Möchtest Du im Ruhestand nicht einfach mal nichts machen?“ hatte mich vor einiger Zeit eine Bekannte gefragt. Ruhestand? Was ist das? Ich bin doch erst 61 geworden – da kann ich noch viele schöne Bücher schreiben und produzieren. Das hatten mir übrigens auch viele Gratulanten gewünscht, dass ich weiterhin so kreativ sein und andere dazu anstiften kann. So lässt sich alles andere leichter tragen.
Und dann kam der Geburtstagsspaziergang – meien Nachbarin kam mit ihren beiden Hunden und holte mich und Senta ab. Wir wanderten fröhlich an den blühenden Rapsfeldern vorbei. Wie auf Bestellung kam dann auch noch die Sonne heraus. Mein Mann musste leider zu Hause bleiben, weil die Straße durch den Straßenbau derartig holprig ist, dass man nicht mit dem Rollstuhl drüber fahren kann. Er freute sich also über ein verlängertes Schläfchen.
Es war kein runder Geburtstag, ich brauchte keine vorherige wochenlange Planung und Vorbereitung, ganz entspannt und schön war es. Und an einem solchen Tag kommt man mal zum Nachdenken über das, was wirklich wesentlich ist. Das Zusammensein mit den Lieben – mein Mann und Senta – die in letzter Zeit oft auf mich verzichten mussten. Kaffeetrinken und Gespräche mit Freunden, ein schöner Spaziergang durch die herrliche Natur – was will man mehr? Das Leben ist schön!
Am Abend dann noch ein leckeres Essen und dann der Rest von dem Film, den wir beim Hineinfeiern angeschaut hatten. Ein wohliges Glücksgefühl machte sich bemerkbar, dazu eine angenehme Müdigkeit, anders als beim runden Geburtstag, an dem ich abends ganz ermattet gewesen war. Ist doch schön, so ein Tag, nur für mich. In meinen neuen Büchern habe ich allerdings immer noch nicht gelesen …