Es war ein wunderbarer Tag, dieser Freitag. Nach einer Woche voller Arbeit und auch etwas Stress gab es nur positive Erlebnisse, Begegnungen, Gespräche. Dazu das herrlich sonnige Spätsommerwetter.
Gegen Abend sitzt mein Mann mit Marlen noch einmal auf der Terrasse und genießt die letzten Sonnenstrahlen. Er ist warm eingepackt, denn der Herbst macht sich schon bemerkbar. Es ist kalt geworden. Ich mache mit Senta, Molly und Hansi einen Spaziergang. In aller Ruhe, beschaulich, entspannt.
Hans Christian geht es heute wieder etwas besser, mir sowieso nach so einem schönen Tag. Ich mache Bratkartoffeln zum Abendessen, denke, ob die Kartoffeln wohl ausreichen? Erst morgen werde ich wieder neue kaufen an dem offenen Kartoffelstand in Landkirchen, wo man einen Sack Kartoffeln mitnimmt und das Geld einfach in die Kasse hinein wirft. So etwas gibt es nur hier auf unserer Insel.
Die Kartoffeln werden reichen, sie brutzeln schon in der Pfanne, als das Telefon klingelt. Einer unserer Autoren ruft an und sagt: „Ich habe eine Inselgeschichte für Sie!“ Es klingt wie ein Geschenk, und das ist es auch. Morgen wird er sie bringen.
Mir fällt ein, dass es bis zum Einsendeschluss für das Projekt „Inselgeschichten“ am 30. September nur noch drei Tage dauert – deswegen hatte also die andere Autorin heute nachmittag schon angerufen. Ich gehe zum Computer und schreibe eine Erinnerungsmail an alle, die der Verlag zu diesem Projekt eingeladen hatte. Auch diejenigen, die alles immer nur „kurz vor Toresschluss“ erledigen, sollen noch eine Chance haben.
Die Bratkartoffeln schmecken köstlich, dazu der leckere Brathering und kleine feine Gürkchen. Ein köstliches Mahl! Senta schaut mich bettelnd an, sie darf sonst im Dunkeln nicht mehr in den Garten. Es ist immer schwierig, sie dann ins Haus zurück zu holen. Sie bellt zwar nicht mehr so viel wie im Sommer, aber was wäre, wenn sie plötzlich im Dunkeln einen Passanten anbellt? Ich nehme die lange Leine und binde Senta am Terrassenzaun an. Sie legt sich friedlich ins Gras und genießt den schönen Abend.
Später, als wir schon fast alles gegessen haben, hole ich Senta herein. Als ob sie froh wäre, endlich wieder zu uns nach drinnen zu dürfen, kommt sie bereitwillig mit. Ich nehme ihr Halsband und Leine ab und sie verschwindet im dunklen Wohnzimmer. Aus der erleuchteten Küche sehe ich, wie sie sich auf das Sofa setzt, als wolle sie sagen: „Wann kommt Ihr? Hier ist es gemütlich!“
Ja, das ist ein gemütlicher Abend, wir schauen uns einen Film an, während wir das Abendessen beenden. Als ich für jeden ein kleines Eis am Stiel aus dem Gefrierschrank hole, kommt Senta – wie immer bekommt auch sie ihr kleines Eis.
Dann sitzen wir drei im Wohnzimmer – Senta und ich auf dem Sofa, Sentas Kopf an mein Knie gekuschelt, Hans Christian in seinem Sessel, die Füße auf den Hocker gelegt. Nach dem Film schalten wir um auf die NDR Talkshow. Eine nette Runde ist da heute zusammen gekommen, und ich stelle mir wieder vor, wie ich mit der Autorin unseres neuen Buches dort sitze. Wir beide haben es uns fest vorgenommen, in eine Talkshow zu kommen.
Wie jeden Freitag werde ich irgendwann müde und schlafe ein. Senta ist auch müde, sie verlässt das gemütliche Sofa und legt sich in ihr Körbchen unter der Treppe. Obwohl daneben der Fernseher läuft, schläft sie tief und friedlich.
Als ich wieder wach werde, wird Wolfgang Niedecken interviewt. Der Sänger der kölschen Gruppe BAP hat einen Schlaganfall überstanden und ist erstmalig mit seiner Frau Tina in einer Talkshow. Er ist 62 und sie sprechen davon, dass sie demnächst ihren 20. Hochzeitstag feiern. Da fällt es mir ein: Am 30. September habe Hans Christian und ich unsere „Petersilienhochzeit“ – die Hälfte des Weges bis zur Silberhochzeit ist dann geschafft. Wolfgang und Tina erzählen, wie sie sich kennengelernt haben – auch ich erinnere mich an unser Kennenlernen.Ob Hans Christian es auch noch weiß?
Und dann singt Wolfgang Niedecken ein wunderschönes Lied aus dem Album, das er seiner Frau gewidmet hat: „Zosamme alt“. Ich schau mir die beiden an – sind die alt? Nein, eigentlich nicht. Auch ich fühle mich nicht alt. Ich denke an unsere Silberhochzeit in 12 1/2 Jahren. Ein Freund hatte uns eine Tabelle der wichtigsten Hochzeitstage zur Hochzeit geschenkt, auf der vermerkt ist: Pflicht bis zur Silberhochzeit am 30.3.2026, danach kommt die Kür.
Kurz darauf ertönt ein „Kling“ vom iPad, um eine neue E-Mail anzukündigen. Wer schreibt noch so spät? Ich traue meinen Augen nicht: Genau der Freund, an den ich gerade gedacht habe, schickt mir eine Inselgeschichte! Ich bin bewegt, lese sie gleich. Er war mal hier auf Fehmarn, ganz am Anfang, als ich unsere Wohnung vermietete, vor fast 20 Jahren. Aber er schrieb von „seiner“ Insel in seiner Heimat Brandenburg. Danke, lieber Freund!
Ich bin einfach glücklich, gehe nach oben, um unser Zubettgehen vorzubereiten. Mit einem Mal sehe ich Senta auf der Treppe – sie hatte doch schon so fest geschlafen. Sie zieht sich ganz langsam die Treppe hinauf, Pfote für Pfote. Ich stelle mir vor, wie es ist, wenn sie keine junge Hundedame mehr sein wird, sondern eine Dame im gesetzten Alter! Ich hocke mich oben hin und locke sie ganz leise – ich will ja nicht, dass sie auf der Treppe einschläft. Langsam kommt sie herauf und legt sich auf ihren Platz unter der Treppe.
Ich hole Hans Christian mit dem Treppenlift nach oben, erzähle ihm von der E-Mail unseres Freundes. Er kann sich nicht an ihn erinnern. Und dann erzähle ich ihm, dass wir am Montag unsere Petersilienhochzeit haben, schaue im Schlafzimmer auf die Hochzeitstabelle – tatsächlich, da steht es: 30.9.2013. Ich sage zu meinem Mann: Dann haben wir schon die Hälfte bis zur Silberhochzeit geschafft! Die zweite Hälfte schaffen wir auch noch! Er aber ist ein wenig mutlos, wie so oft in letzter Zeit. Da sage ich: Ein Forsbach hält durch, der schafft das. Und er: Warum sagst Du das? Ich: weil ich Dich liebe!
Nun folgt, wie jeden Abend, das Gute-Nacht-Gebet, bei dem Hans Christian sich immer beruhigt. Dann kann er einschlafen. Heute hat er sogar „Gute Nacht, Senta“ gesagt, als ich ihn im Rollstuhl zum Schlafzimmer schob.
Ich aber bin glücklich und überhaupt nicht mehr müde. Ich hole mir ein Glas Rotwein und setze mich an den Computer. Der Schreibtisch ist noch voll von all den Dingen, mit denen ich heute befasst war. Die Post liegt noch ungeöffnet da. Am Nachmittag hatte ich nur einen Brief geöffnet und danach ein höchst erfreuliches Gespräch mit dem Absender geführt. Es steht wieder eine Verbesserung für meinen Verlag an.
Nun schreibe ich diesen Block. Seit Ende Mai habe ich nichts mehr geschrieben. Ich finde einen Entwurf von Mitte August: „Ein schöner Sommer“, aber der Text fehlt. Vielleicht hole ich das noch einmal nach, denn aus der Erinnerung erscheint vieles schöner, als wenn man mitten drin ist.
Senta liegt und schläft ganz fest. Und wenn ich nachher auch ins Bett gehe, verschwindet sie vielleicht wieder nach unten, in ihr Körbchen. Oder sie wacht vor unserem Schlafzimmer, bis ich am Morgen wieder heraus komme.
Was für ein glücklicher und friedlicher Übergang ins Wochenende! Ich bin dankbar für diesen schönen Wochenausklang mit meiner lieben kleinen Familie und freue mich auf morgen.