13. August 2010
Sieben Wochen sind wir nun schon hier auf unserer Sonneninsel. Nun
wurde es Zeit – Hans Christian musste mal zum Friseur. Da wo wir früher
in der Stadt zum Friseur gegangen sind, wäre es vielleicht schwierig
mit dem Rollstuhl hinzukommen. Ich hatte einen Friseursalon auf
der Südstrandpromenade entdeckt und so fuhren wir dorthin. Die ganze
Promenade entlang vom Yachthafen bis zu den drei Hochhäusern.
Besonders begeistert war Hans Christian nicht gerade, war deswegen
doch sein Schläfchen auf dem Sofa ausgefallen.
Die Friseurin war sehr nett und verschönerte Hans Christian in kurzer
Zeit. Nun gefiel er sich auch wieder besser, dachte gar nicht mehr an
die Zahnlücke, die ihn schon einige Zeit bedrückt. In guter Stimmung
traten wir den Heimweg über die Südstrandpromenade an. Die Spätnachmittagssonne
kam hinter den Wolken hervor und leuchtete uns ins
Gesicht. Mein Mann freute sich an den vielen Menschen, die auf der
Promenade unterwegs waren. Viele Familien mit kleineren und größeren
Kindern waren dabei.
Und dann fragte ich: „Magst Du ein Eis essen?“ Oh ja, das wollte er gerne.
Eine solche Belohnung für den Friseurbesuch hatte es auch früher
immer gegeben, wenn wir in der Stadt zum Friseur gingen. Da hinten
an der Strandburg, dem großen Appartementhaus, gibt es eine italienische
Eisdiele. Da wollten wir ein Eis zusammen essen.
Und dann stand da ein blau-weiß gestreifter Strandkorb und ich fragte
ganz spontan: „Willst Du Dich da hineinsetzen?“ Oh ja, Hans Christian
wollte gerne. Ganz leicht stand er in meinen Armen aus dem Rollstuhl
auf und ließ sich in den Strandkorb setzen – nach einer „kleinen Walzerdrehung“,
wie ich die Wendung um 90 Grad immer nenne. Richtig glücklich war er erst, als ich mich neben ihn in den Strandkorb setzte.
Ich bestellte zwei Eisbecher für uns und dachte an den letzten Besuch
in der Eisdiele vor vier oder fünf Wochen, als es meinem Mann noch
schwer fiel, überhaupt den Löffel zum Mund zu führen. Und nun saß er
zurück gelehnt und glücklich lächelnd in dem Strandkorb, das winzige
Tischchen stand ziemlich weit weg. Würde er sein Eis hier überhaupt
essen können? Ich sagte, er könne sich ja auch in einen der bequemen
Korbsessel setzen. Nein, das wollte er nicht.
Und was dann geschah, kam mir wie ein kleines Wunder vor: Mein
Mann strahlte über den schönen Eisbecher, beugte sich vor und löffelte
sein Eis, ruhig und mit großem Genuss. Fast gar nichts kleckerte auf seine
helle Hose. Mit wachsendem Staunen beobachtete ich, wie er gerade
und ohne Rückenlehne da saß, ohne wie sonst zurück zu fallen, und
wie er ruhig den Eislöffel zum Mund führte. Erleichtert bestellte ich mir
einen Prosecco, der mir so gut wie noch nie schmeckte.
Die Sonne kam noch einmal ganz heraus und strahlte uns an, wir beide
saßen warm und gemütlich in dem Strandkorb. Wir schauten auf die
Strandpromenade, beobachteten die Spaziergänger, sahen den Kindern
beim Spielen mit dem kleinen Spielzeughubschrauber gegenüber zu.
Hier hatten wir noch nie gesessen, es war eine schöne neue Perspektive,
ein neues Erlebnis auf unserer Insel.
Ich erinnerte mich an meine ersten Urlaube auf Fehmarn, wenn ich nach
der Ankunft immer zuerst einmal über die Strandpromenade gelaufen
war und die gute Ostseeluft eingeatmet hatte. Und ich erzählte Hans
Christian, wie ich damals im Herbst über den Strand gewandert war
und in einem der wenigen vom Sommer übrig gebliebenen Strandkörben
gesessen hatte – windgeschützt in der Oktobersonne.
Ich dachte an das Haus, das uns vorgestern so gut gefallen hatte, und
wo ein blau-weißer Strandkorb auf der Terrasse stand. Gestern noch
hatte ich gedacht, was sollen wir mit einem Strandkorb! Aber jetzt –
glücklich im Strandkorb zu sitzen und in den eigenen Garten zu schauen,
das erschien uns beiden schön. Und wir sprachen über unseren bald
möglichen Umzug nach Fehmarn, freuten uns beide darauf.
Wie schön warm die Sonne war an diesem frühen Abend – kaum zu
glauben, wo es doch gestern noch so stark geregnet hatte, dass man
glaubte, es höre nie wieder auf. Aber heute war wieder schönes mildes
Augustwetter – das ist die Besonderheit des Klimas hier auf der Sonneninsel.
Es bleibt warm, auch nach einem Regentag. Der Himmel ist
blau, die Sonne scheint, und am Strand sind die letzten Badegäste, auf
dem Wasser noch einige Segelboote.
Wir waren uns wieder einmal ganz sicher, dass wir uns richtig entschieden
haben, ganz auf die Insel zu ziehen. Gegen 19 Uhr brachen wir
auf, denn ich wollte am Hafen noch Fisch für das Abendessen kaufen.
Wir fuhren fröhlich über die Strandpromenade, d. h. ich lief und schob
den Rollstuhl meines Mannes, hätte am liebsten gesungen. Mein Mann
wohl auch, denn er lächelte die Menschen am Weg an und sagte fröhlich
„Hallo“ zu ihnen.
Fast banal diese Geschichte? So könnte man denken. Ist das Glück nicht
ganz einfach, fast banal? Als wir zu Hause in unserer kleinen Wohnung
waren, wurde unser Glück noch durch einen wundervoll strahlenden
Abendhimmel gesteigert. Später gab es leckeren Räucherfisch
zum Abendessen, den ich im Hafen Burgstaaken geholt hatte. Auf dem
Rückweg über die Strandallee sah ich schon das Abendrot, das wir dann
am Ende dieses schönen Tages beim Abendessen genossen.
Aus: Beate Forsbach: Strandallee – Ein Weg zum Glück. Edition Forsbach 2012