Letzten Sonntag war es zwei Wochen her, dass ich auf die Idee kam, mir mal etwas Zeit für mich zu nehmen: wann hatte ich eigentlich zum letzten Mal ein warmes Wannenbad genossen? Und siehe da, ich finde ein Fläschchen „Zeit für Dich“ und Meersalz, das ich noch nie benutzt habe. Herrlich entspannt startete ich in den Sonntag …
Nun sollte man doch glauben, dass ich immer nur Zeit für mich hätte, nachdem ich bereits über ein Jahr nach dem Tod meines Mannes alleine mit meiner Berner Sennenhündin Senta lebe. Nein, das ist nicht so. Diese Erkenntnis kam für mich ganz überraschend.
Kurz zuvor hatte ich von einer Autorin meines Verlages gehört, dass sie sich den Freitag zum Schreiben ihres Romans freihält. Diese Idee fand ich so umwerfend, dass ich sie unserer Lektorin erzählte. Sie sprach davon, dass sie nicht wüsste, wann sie schreiben sollte. Aber mir empfahl sie umgehend, mir doch gleich zwei Schreibtage in der Woche zu nehmen. Das fand ich wirklich ungeheuerlich: gleich zwei Tage? nur für mich?
Und so begann ich an diesem Sonntag schon mal mit Zeit nur für mich. Lange überlegte ich, an welchen Tagen ich mir meine zwei Schreibtage einräumen sollte. Ich wählte dann den Dienstag und den Samstag. Unglaublich, wie eifrig ich am Montag all die vielen Verlagsangelegenheiten erledigte. Oft waren es Kleinigkeiten, mit denen ich mich lange, viel zu lange, aufhielt. Nun war ich motiviert, bis Dienstag meinen Tisch leer zu arbeiten, und es klappte. Ich freute mich schon richtig auf den Dienstagmorgen, wo ich ohne zu zögern aufstand und mich fertig machte. Facebook und das Mailprogramm wurden abgestellt, und ich begann mit der Arbeit an meinem Buch. Ich konnte mich voll darauf konzentrieren, weil ich alles andere beiseite geschoben hatte. Es war ein wundervoller und ergiebiger Tag.
Zeit für mich – das bedeutet nicht, dass ich gar nicht für andere da bin. Mein Verlag, das ist ja mein Lebensinhalt. Und so habe ich am nächsten Sonntag Zeit mit zwei meiner Autoren verbracht, aus freien Stücken, ohne äußeren Druck, weil ich das wollte. Und beide Male waren es beglückende virtuelle Begegnungen. Ich lerne allmählich, was es bedeutet, selbst darüber zu entscheiden, womit und mit wem ich meine Zeit verbringe.
Ich genoss dieses Wochenende im Bewusstsein des größten Luxus. Dabei ist es doch eigentlich eine Selbstverständlichkeit, sollte man meinen. Jeder kann doch tun und lassen mit seiner Zeit, was er will. Das ist richtig, aber unser Denken ist einfach anders programmiert, mein Denken jedenfalls. Deswegen kam ich in den letzten Monaten fast nie dazu, meine eigenen Bücher und Texte zu schreiben.
Denn immer wieder gab es Ablenkungen durch Menschen, die etwas von mir wollten: ihr Buch in meinem Verlag veröffentlichen, ihre Manuskripte lesen, ihre Lebensprobleme anhören und dabei helfen, sie zu lösen. Unnütze Diskussionen über unwichtige Dinge raubten mir meine Zeit, die ich gerne für mich genutzt hätte. Und unsinnige Konflikte raubten mir den Schlaf und in Folge davon die Energie, meine Aufgaben in kurzer Zeit zu erledigen – um dann wieder Zeit für mich zu haben.
An diesem Sonntag vor zwei Wochen habe ich endlich erkannt, dass es nur eine Person gibt, die das ändern kann: ich selber! Meine Hündin Senta ist nämlich inzwischen sehr geduldig geworden und wartet stundenlang darauf, dass ich mit ihr zum Meer gehe. Nur wenn ich zu der gewohnten Zeit mal überraschend ein Telefongespräch führe, kommt sie nach oben in meinen Arbeitsbereich und beginnt zu bellen. Früher, als junger Welpe, hat sie unsere Möbel angeknabbert, um auf sich aufmerksam zu machen. Heute wartet sie, bis ich zum Spaziergang aufbreche. Dann aber hüpft sie vor lauter Freude durch die Gegend und kann es kaum erwarten, loszugehen.
Und so liegt es heute ganz alleine an mir, ob ich Zeit für mich habe oder nicht. Plötzlich bekam ich die Idee, neben dem gewohnten Spaziergang zum Meer am frühen Abend auch noch einen Morgenspaziergang ums Feld zu machen. Senta ist darüber ganz begeistert, es tut uns beiden gut. Denn sonst habe ich mich noch ziemlich müde mit einem Tee an den Schreibtisch gesetzt und Senta hielt ein Schläfchen. Nun starten wir beide munter in den Tag.
Eines aber findet immer statt, egal ob es mein Schreibtag oder ein Tag für die Verlagsarbeit ist: Wenn unsere Hundefreundinnen Karin und Jenny Zeit für uns haben, dann machen wir einen gemeinsamen Ausflug ans Meer. Ganz entspannt laufen wir durch die schöne Natur, freuen uns an unseren beiden Hündinnen, machen Fotos, erzählen, setzen uns auch mal irgendwo hin – und schauen einfach mal nicht auf die Uhr. Solche Tage sind wundervoll und machen glücklich.
Und das ist doch eigentlich der Sinn des Lebens, oder?
Gestern ging ich alleine mit Senta zum Meer, setzte mich ans Wasser und fühlte plötzlich Ruhe und Frieden – nur das Plätschern der Wellen und das Kreischen der Wasservögel waren zu hören. Die eigene innere Stimme wurde auch ganz ruhig. Die Seele baumeln lassen, so nennt man das wohl, diesen Zustand völligen Entspanntseins, in dem man ohne jegliche Gedanken einfach nur da ist. Na ja, ganz alleine bin ich ja nie. Denn plötzlich saß jemand neben mir – Senta aber versteht es, sich auch ohne Worte zu verständigen.
Zeit für mich – wann haben Sie das zum letzten Male genossen? Machen Sie es einfach mal, ich kann das empfehlen! Die Bank am Meer, die oben im Blogartikel abgebildet ist, lädt mich jeden Tag immer wieder dazu ein. Selbst Senta legt sich jetzt manchmal daneben und wartet, bis ich endlich aufstehe, um mit ihr weiter am Meer entlang zu laufen.
Es ist interessant, wie viele Gedanken mir kommen, seit ich mir regelmäßig Zeit für mich nehme. So fiel mir ein, dass heute vor fünf Jahren, am 1. Juli 2010, für meinen Mann und mich ein neuer Lebensabschnitt begann. Damals waren wir das erste Mal bei der Therapeutin in Westermarkelsdorf auf Fehmarn, gewesen, die meinen Mann so wirksam behandelte, dass wir uns im Laufe der nächsten Wochen entschlossen, ganz auf die Insel zu ziehen.
Und wir waren so voller Hoffnung! Es war eine wunderschöne Zeit, und heute denke ich daran. Ich habe damals davon geträumt, dass mein Mann auf einer Liege auf der Wiese liegt, unter einem Apfelbäumchen, und ich daneben sitze und schreibe. Und ein Hündchen liegt unter dem Tisch.
Unser Apfelbäumchen, das wir vor zwei Jahren gepflanzt haben, hat dieses Jahr tatsächlich die ersten winzig kleinen Früchte – der Hund liegt brav neben mir, nur mein Mann ist leider nicht mehr da.
Aber ich merke und bin glücklich, dass meine Träume in Erfüllung gehen, auch wenn immer wieder Verluste zu bewältigen sind. An diesem Tisch unter dem Apfelbäumchen arbeite ich jetzt an meinen Projekten – umgeben von blühenden Büschen und herrlichen Rosen. Ich wünsche Ihnen schöne Sommertage, an denen Sie Zeit für sich haben!