Schon fast fünf Jahre lebt Senta jetzt bei mir auf Fehmarn, bereits zwei Jahre lebe ich mit ihr allein – wir sind ein starkes Team geworden.
Mir gefiel Senta als vier Wochen alter Welpe, weil sie sich nicht auf meinen Schoß begab und an meinem Finger nuckelte, wie ihr Schwesterchen. Ich sehe mich noch dort auf dem Fußboden sitzen, neben der Wurfkiste – Senta saß stolz da, drehte mir den Rücken zu und tat so, als würde sie sich gar nicht für mich interessieren. Es gab ja dann auch bald was zu fressen …
Ihren Namen bekam Senta übrigens von uns – mein Mann und ich haben einen ganzen Abend überlegt. Möchten Sie vielleicht, dass Ihr Hund so heißt wie Ihre Tante oder Mutter? Einen amerikanischen Namen mochten wir nicht. Senta wurde von uns nach unserer Lieblingsschauspielerin Senta Berger benannt.
„Warum haben Sie sich eigentlich keinen kleineren Hund angeschafft,“ fragte mich mal jemand. Ja, warum eigentlich? Warum habe ich Senta?
Mein Mann wollte immer ein „Hündchen“, wie er sagte. Und als wir einige Bilder anschauten, wollte er einen noch größeren Hund – denn er saß im Rollstuhl und er hatte immer viel Angst. Über eine Anzeige im Internet kamen wir auf die Rasse der Berner Sennenhunde, die perfekt zu uns zu passen schien. Wir hatten noch nie einen Hund gehabt, und es war nicht immer ganz einfach, diesem Welpen mit den spitzen Zähnchen wirklich gerecht zu werden. Einige Möbel haben noch Spuren aus dieser Zeit …Senta fühlte sich von Anfang an pudelwohl bei uns – sie hatte sogar zur Begrüßung eine eigene Decke von einer Freundin aus Amerika bekommen. Ich schrieb einen Blog „Senta ist da – Ein Berner Sennen Baby auf der Sonneninsel Fehmarn“ und viele Freundinnen schrieben Briefe an Senta. Die aber interessierte sich mehr für die zahlreichen Stofftiere in unserem Haus – nur Leo, der Löwe, hat bis heute überlebt.
Sehr früh interessierte sie sich schon für den Computer und den Verlag, zerknabberte das eine oder andere Buch – eine Frau, der ich ein Buch verkaufen wollte, das nun angeknabbert war, schrieb: „Ist Ihr Welpe intellektuell interessiert?“
Auf jeden Fall wurde Senta mein Verlagsmaskottchen – sie weiß inzwischen, wann es besser ist, Frauchen nicht beim Schreiben und Telefonieren zu stören. Sie erkennt aber auch die richtigen Momente, wenn dringend ein Spaziergang zum Meer angebracht ist.
Sie sorgt für meine Gesundheit, schon morgens muss ich lachen, wenn ich aus dem Bett komme und sie liegt da und will gekrault werden. Wenn es mir mal nicht so gut geht, dann schläft sie im Schlafzimmer, als wolle sie mich beschützen. Die täglichen Spaziergänge zum Meer tun mir gut, es ist schön, ihr wippendes Schwänzchen zu beobachten, ihre Freude, wenn sie mal wieder ein Kaninchen riecht, es tut gut, wenn sie ganz nah neben mir geht – ohne Leine – weil sie von irgendwoher ein Geräusch gehört hat, das sie meinen Schutz suchen lässt. Oder – es ist ihre neueste Gewohnheit – wenn sie sich hinsetzt und mich ganz lieb anschaut, um ein Leckerli zu bekommne.
Senta ist auch eine Seelengefährtin – sie spürt meine innersten Regungen. Sie trauerte mit mir um ihr verstorbenes Herrchen, kennt heute noch den Weg zu seinem Grab. Sie freut sich mit mir, wenn etwas besonders Schönes passiert. Sie begrüßt Gäste in meinem Haus freudig, wenn ich sie gerne mag, dann mag sie sie auch, und sie hat mich auch schon vor unliebsamen Besuchern beschützt. Sie versteht jedes Wort, einige Worte aber besonders gut: „spazieren“, „lecker“, „zum Meer“ sind ihre Favoriten. Das Meer liebt sie ganz besonders, auch die Enten und Schwäne, die dort schwimmen. So läuft sie auch im Winter gerne ins Wasser, kommt aber bald wieder heraus, wenn es zu kalt ist.
Leider mag sie nicht Autofahren, und so bleibt sie daheim und bewacht Haus und Garten, wenn ich nicht da bin. Senta ist meine allerbeste Freundin, sie ist treu und geduldig, sie weiß, ob ich am Abend am Schreibtisch sitzen werde oder lieber auf dem Sofa, um mit ihr zusammen einen Film anzuschauen oder Musik zu hören.
Neulich schrieb ich bei Facebook eine kleine „Liebeserklärung“ an diesen Hund:
So ein Hund sitzt einfach da und schaut Dich an, manchmal kommt er und stupst Dich mit seiner Nase, wenn Du wieder zu lange am Computer sitzt und ihn nicht beachtest. Er spricht nicht, er schreibt keine Emails, er chattet nicht, er liket nicht – er schaut einfach mit seinen großen braunen Augen. Er wartet auf Dich, er macht sehr deutlich, wenn er etwas will, etwas anderes, als Du willst. Er ist da, wenn Du nicht schlafen kannst, er hört mit Dir Musik, er spürt, was Deine Seele bewegt, er sitzt beim Essen neben Dir. Er wartet geduldig, wenn Du wieder mal ein paar Stunden weggefahren bist, auch nach mehreren Tagen Abwesenheit wirst Du stürmisch begrüßt. Er ist nie verletzt von dem, was Du sagst oder tust, er ist nicht nachtragend, wenn Du mal mit ihm geschimpft hast. Am Morgen wartet er geduldig, bis Du endlich aufgestanden bist, aber dann möchte er Zärtlichkeit nach der langen Nacht. Er feiert jeden Tag aufs Neue den allergrößten Moment: wenn Du die Leine nimmst und mit ihm hinaus gehst zum Meer. Und am Abend wartet er so lange, bis Du endlich vom Schreibtisch kommst und Dich aufs Sofa setzt, er ist gleich neben Dir, denn nun beginnt die gemütlichste Stunde des Tages.
Ja, Senta mag es gerne gemütlich am Abend – wir teilen uns das große Ledersofa, manchmal legt sie ihren Kopf in meinen Schoß. Sie hört gerne Chopin und mag Camembert – Rotwein trinkt sie noch nicht – und wenn ich eine kleine Feier veranstalte, ist sie begeistert dabei. Schließlich gibt es für sie dann auch einige Leckerbissen. Sie liebt es, wenn ich auf meinem schönen Flügel spiele – sie legt sich dann direkt davor und hört zu.
Nie hatte ich mir einen Hund gewünscht in meinem früheren Leben – als mein Mann starb, war ich plötzlich alleine mit dem Hund und: wieder abhängig. Und nicht besonders glücklich darüber. Ich konnte nie wegfahren, wie ich wollte, also blieb ich zu Hause. Alle meine Versuche, Senta ins Auto zu locken, waren gescheitert und ich sah mich schon die nächsten zehn Jahre zu Hause angebunden.
Aber dann wagte ich es, sie alleine zu lassen, zuerst bei einer Freundin im Nachbardorf, dann ganz einfach zu Hause – mit Versorgung durch den Tierservice. Dadurch wurde unsere Verbindung immer stärker – und ich glaube daran, dass wir eines Tages gemeinsam in die Berge fahren, wie ich es mir immer gewünscht habe.
Heute möchte ich Senta nicht mehr missen, wir sind unzertrennlich geworden. Ich bin sehr dankbar, dass ich sie habe – durch den Wunsch meines verstorbenen Mannes bin ich heute nicht allein. Und wenn ich mal wegfahre, weiß sie das, legt sich in ihre Lieblingsecke und wartet, bis ich wieder nach Hause komme – egal ob nach einer Stunde, einem Tag oder einer Woche. Und dann ist ihre Freude groß – und ich freue mich jedes Mal darauf, wieder nach Hause zu kommen und sie zu knuddeln.