Meine Mutter mochte keinen Muttertag. Sie sagte immer, dass sie jeden Tag Mutter ist, und so war ich es gewohnt, ihr immer wieder mal etwas Schönes zu schenken, auch wenn es gar keinen besonderen Anlass gab: denn sie war ja jeden Tag meine Mutter, und das war Anlass genug! Das Wichtigste war die Liebe, die sie mir geschenkt hat und die ich ihr Zeit ihres Lebens zurückgegeben habe. Meine Mutter war auch meine allerbeste Freundin.
Zu ihrem 96. Geburtstag am 17. Februar 2017 habe ich den Blogartikel Erinnerungen an meine Mutter geschrieben, durch den eine Zeitschrift auf mich aufmerksam wurde. Die Journalistin fragte mich, welches Andenken ich als Erinnerung an meine Mutter bewahre – und ich sagte ohne zu zögern: den Mut, die Zuversicht und den Optimismus, den sie mir vermittelt hat. Und las ihr vor, was ich als Widmung in meiner Dissertation geschrieben habe:
In liebevoller Erinnerung an meine Mutter Eva Dethlefs (1921 – 1997)
Und in Dankbarkeit
• für eine schöne Kindheit und Jugend voller Musik,
• für eine umfassende Ausbildung und das Studium,
• für viele Gespräche über Schule, Erziehung und Unterricht,
• für die Erziehung zu Selbständigkeit und Kritikfähigkeit,
• dafür, immer wieder bestärkt worden zu sein, den eigenen Weg
zu gehen, auch gegen Widerstände,
• für die Kraft, dies durchzuhalten,
• dafür, gelernt zu haben, Dinge zu ändern, die man ändern kann
und Vorgaben zu hinterfragen,
• dafür, Liebe und Freiheit als höchste Werte erfahren zu haben.
Dieses Vermächtnis ist das Wichtigste, was mir meine Mutter hinterlassen hat – und dazu hat sie mir durch ihr Vorbild Liebe und Kraft für mein ganzes Leben gegeben.
Meine Mutter hatte mir auch vermittelt, dass es wichtig für eine Frau ist, selbstständig und unabhängig von einem Mann zu leben. Und so kam die Frage: „Wann heiratest Du und bekommst Kinder“ bei uns nie auf. Ich studierte Schulmusik und Mathematik und begann schon früh damit, meine Leidenschaft zu leben: Kindern und Jugendlichen die Freude an der Musik zu vermitteln – und auch den Schrecken vor der Mathematik zu nehmen. Ich veranstaltete viele Konzerte, in denen „alle meine Kinder“ auftraten: oft waren bis zu 150 Kinder und Jugendliche beteiligt, im Unterstufenchor, im Schulorchester, im Oberstufenchor, in der Big Band, und schließlich brachte ich ganze Schulklassen auf die Bühne. Mein Bedarf an „eigenen“ Kindern war mehr als gedeckt.
Und dann lernte ich mit 45 Jahren meinen Mann kennen, meine große Liebe, und wir heirateten, als ich 48 war. Ich kann mich noch genau an den Tag Ende 2004 erinnern, als mein Doktorvater bei uns in Bamberg am Esstisch saß und sagte, es sei doch so schade, dass wir keine Kinder mehr bekämen – bei den pädagogischen Begabungen von uns beiden. Unsere guten Gedanken und unsere Fähigkeiten sollten doch weiterleben und die Menschen bereichern.
In Bamberg war es auch, als wir plötzlich eine erwachsene „Tochter“ bekamen und auch einen „Sohn“ – junge Leute, die sich uns als „Wahl-Eltern“ ausgesucht hatten. Zum ersten Mal im Leben bekam ich Blumen zum Muttertag geschenkt, und beide waren auch vor 13 Jahren bei meiner Promotion in Berlin dabei. Wir erlebten Leid und Freud mit unseren „Kindern“, und irgendwann hörten wir nichts mehr von ihnen. Der Sohn, der meinen Mann so gerne gehabt hatte, rief am Tag der Beerdigung meines Mannes an und stand dann einige Wochen später traurig mit mir am Grab. Es war nicht mehr rückgängig zu machen, dass er sich so lange nicht gemeldet hatte.
Ich glaube, dass sich Menschen „Wahl-Mütter“oder „Wahl-Väter“ suchen, wenn in ihrem eigenen Leben ein Mangel daran ist – bei unseren beiden „Kindern“ war das jedenfalls so und wir haben uns gerne um sie gekümmert, so wie ich es von meiner Mutter und mein Mann von seiner Mutter gelernt hatte.
Damals habe ich mich auch um eine ältere Nachbarin gekümmert, und eine Bekannte sagte zu mir: „Warum machst Du das – wer kümmert sich mal um Dich, wenn Du älter bist?“
Ich kannte damals die Sprüche von Louise Hay noch nicht, die gesagt hat:
Das Leben ist ganz einfach. Was ich gebe, kommt zu mir zurück.
Heute entscheide ich mich dafür, Liebe zu geben.
Ich tat es einfach.
Übrigens hatte mein Mann mir vor unserer Hochzeit schon ein „Kind“ geschenkt: das „Hänschen“, das ich heute noch habe. Ein Freund hat diese Fotomontage für mich gestaltet, und man sieht auch unsere Senta darauf. Die begrüßte mich heute beim Aufstehen überschwenglich und schmuste wie noch nie …
Inzwischen habe ich eine neue Leidenschaft und damit meine Berufung gefunden: Ich helfe anderen Menschen, ihren Traum vom eigenen Buch zu verwirklichen. Im letzten Sommer kam eine junge Ärztin aus Dänemark zu mir, die auch keine Kinder hat, aber sich für das Wohl von jungen Mädchen und Frauen einsetzt. Dazu wird sie ein Buch mit mir „auf die Welt“ bringen. Sie sagte mir die folgende Weisheit aus Thailand:
Frauen ohne Kinder sind einer von Gottes Engeln oder Gott in Menschengestalt, der unter den Menschen lebt.
Eine jüngere Freundin sagte mir: Als Verlegerin bist du wie eine Mutter für all deine Autoren.
Und eine andere junge Freundin schrieb mir: Ich versichere Dir, dass ich immer für Dich da sein werde.
Ich begann nachzudenken über „Wahl-Verwandtschaften“ und stellte im Laufe des vergangenen Jahres fest, dass es inzwischen einige „Töchter“ sind, die in meinem Leben wichtig geworden sind. Manche von ihnen haben eigene Kinder, andere sind wie ich ohne Kinder und fühlen sich zu etwas Besonderem berufen.
Und am diesjährigen 13. Jahrestag meiner Promotion meldete sich dann plötzlich unsere „Tochter“ aus der Bamberger Zeit und wir hatten ein herzliches und langes Telefongespräch. Darin wurde mir erst bewusst, dass es stimmt, was ich in meinem Auftsteller „Leben ist mehr“ auf einer neuen Karte geschrieben habe:
Alle Liebe, die ich gebe, kommt wieder zu mir zurück.
Und ich plante diesen Blogartikel. Inzwischen erlebte ich eine große Enttäuschung mit einer „Autoren-Tochter“ – wie auch Mütter mit ihren leiblichen Kindern Enttäuschungen erleben. Eins ist immer „aus der Art“ geschlagen, sagt man, eins ist nicht so, wie man es sich wünscht. Und trotzdem hat man es weiterhin lieb. Mir fällt dazu der Beginn des schönen Gedichtes „Eure Kinder“ von Khalil Gibran ein:
Eure Kinder sind nicht eure Kinder.
Sie sind die Söhne und die Töchter der Sehnsucht
des Lebens nach sich selber.
Sie kommen durch euch, aber nicht von euch,
Und obwohl sie mit euch sind, gehören sie euch doch nicht.
Ich danke allen meinen Wahl-Töchtern für Eure Liebe, Eure Freundschaft und Euer Vertrauen. Das Band der Liebe hält, und es reißt auch nicht ab, wenn man mal einige Jahre nichts voneinander gehört hat!
Für Euch wieder hole ich noch mal die Quintessenz aus meinem Blogartikel zu Ostern:
Ich glaube daran, dass wir mit Mut und Zuversicht eine bessere Zukunft für uns schaffen können. Eine wichtige Voraussetzung aber ist:
Lach dem Leben ist Gesicht! Dann lacht es zurück – denn es liebt auch DICH
Ich wünsche Euch einen frohen Muttertag!
Herzliche Grüße von der Sonneninsel Fehmarn
Eure Beate Forsbach