Liebe Leserin, lieber Leser,
wie geht es dir?

Inzwischen haben sich die Einschränkungen wegen der Corona-Pandemie ein wenig gelockert – und viele Menschen beginnen wieder zu träumen: vom Reisen, von schönen Orten, von den Bergen – und vom Meer.

Es ist nun schon ein Jahr her, dass ich mich entschlossen habe, mein Haus auf der Ostseeinsel Fehmarn zu verkaufen und nach Bamberg zu ziehen. Am 10. Mai 2019 habe ich den Mietvertrag für eine Wohnung mitten in der Stadt unterschrieben. Immer wieder wurde ich gefragt, ob ich denn das Meer nicht vermissen würde, ganz besonders von Menschen, die sich nichts Sehnlicheres wünschten, als am Meer zu leben. Es war auch mein Traum gewesen, auf Fehmarn, am Meer zu leben. Und ich habe meinen Traum gelebt, fast 9 Jahre lang.

Und all den Menschen, die meinten, mir sagen zu müssen, dass ich etwas falsch gemacht hätte, sagte ich immer wieder: Bamberg liegt nicht am Meer.

Du kannst nicht jeden Tag mehrmals am Strand spazierengehen und gleichzeitig in einer Stadt leben, die dir Kultur, Geschäfte, Ärzte und die Gesellschaft vieler Menschen bietet. Das gibt es nicht. Und ich habe mir auch irgendwann eingestanden, dass ich einsam war in dem winzigen Dorf auf Fehmarn, wo ich am Abend, wenn ich mit Senta noch einen Spaziergang machte, niemanden traf, außer ein paar Kaninchen, und in den Fenstern der wenigen Häuser sah, dass die Menschen den Abend vor dem Fernseher verbrachten.

Vor zwei Jahren war das Bild von dem kleinen Seesteg das Kalenderbild für den Monat Mai: es symbolisiert den Weg zu großen Zielen – denn über die Begrenztheit des kleinen Seesteges schaut man über das Meer auf die große Fehmarnsundbrücke, die die Insel Fehmarn mit dem Kontinent verbindet. So oft habe ich dort gestanden und in die Ferne geblickt, bis ich eines Tages wusste, dass ich die Insel verlassen würde.

Nun lebe ich in einer ganz ruhigen Straße, nahe zum Stadtzentrum und doch schon im Haingebiet – der Hain ist eine ausgedehnte Parkanlage zwischen dem Main-Donau-Kanal und dem linken Arm der Regnitz, direkt angrenzend an die Innenstadt Bambergs. Trotz der Ausgangsbeschränkungen der Corona-Pandemie konnte ich mit Senta herrliche Spaziergänge am Wasser entlang und im Hain machen, den Frühling genießen, den blauen Himmel, die Sonne und die frische Luft. Und meistens war ich alleine, wenn man von wenigen Begegnungen mit Nachbarn und Hundebesitzern absieht.

Und ich habe mich gefragt, warum ich das Meer eigentlich gar nicht vermisse. Diese alte Sehnsucht, die ich immer hatte, als ich mit meinem Mann vor über 10 Jahren noch in Bamberg wohnte und stets überlegte, wann wir das nächste Mal ans Meer fahren könnten. Die Vorstellung, am Strand zu stehen, auf das weite Meer zu schauen und zu spüren, wie mir die anrollenden Wellen eine nie versiegende Kraft und Energie verschaffen. Zu wissen, dass mir das weite Meer in seiner Überfülle immer zur Verfügung steht.

Und eines Morgens wurde es mir schlagartig bewusst: Das Meer symbolisiert die Fülle in meinem Leben – es scheint so, als gäbe es eine Pipeline von Fehmarn nach Bamberg und die Fülle des Meeres fließt hierher zu mir, und das Meer wird niemals leer. Die Wellen kommen und bringen immer wieder neue Energie und neue Fülle in mein Leben.

Es ist fantastisch – deswegen vermisse ich das Meer auch gar nicht, seit ich wieder in Bamberg lebe. Ich habe es bei mir, genauso, wie ich auch meinen lieben Hans Christian immer bei mir habe, obwohl er schon vor über 6 Jahren verstorben ist. Ich habe ihn nicht verloren, er ist immer da, nur nicht mehr in seiner physischen Gestalt. Und genauso ist auch die Ostsee immer für mich da, in meinem Gedächtnis, in meiner Erinnerung, symbolisiert durch die vielen schönen Fotos, die ich aufgenommen habe.

Die Vorstellung, es gibt da eine Pipeline von Fehmarn nach Bamberg, ist fantastisch: es ist reichlich für jeden vorhanden, auch für mich, egal, welches Behältnis ich mir vorstelle. Ich habe recherchiert, dass man zu Wasser von der Regnitz bis zur Ostsee reisen kann – aber das ist gar nicht so wichtig, denn in meiner Vorstellung gibt es ja die Pipeline von Fehmarn nach Bamberg, und die Überfülle des Meeres, die einzigartige Energie der nie endenden Wellen, erreicht mich jeden Tag aufs Neue und gibt mir Kraft und Energie für alles, was ich unternehme. Denn es besteht ja keine Möglichkeit, die Ostsee auszutrocknen, genau wie die Fülle in meinem Leben nicht schwindet, sondern immer größer wird.

An diesem Morgen hatte ich die Erkenntnis: Bamberg liegt doch am Meer! Das Meer in meinem Bewusstsein wird niemals austrocknen, sondern sich mehr und mehr ausdehnen. Die Fülle meines Lebens scheint gar nicht mehr abhängig zu sein vom meinem Lebensort.

Und doch empfinde ich jeden Tag aufs Neue, in welcher Fülle ich lebe – hier in Bamberg, und trotz all der Einschränkungen der Pandemie. Vor ein paar Tagen ging ich zum ersten Mal wieder in die Bamberger Innenstadt – und wie in den Wochen zuvor während meiner Spaziergänge mit Senta sah ich viele Menschen, mit und ohne Hund, Kinder, Jugendliche, Ältere und Jüngere, Alleinstehende, Pärchen, Familien, junge Mütter, junge Väter mit ihren Kindern – die Fülle des Lebens umgibt mich hier. Auch wenn ich seit vielen Wochen nicht mehr ins Konzert oder in ein Restaurant gehen konnte.

Die Sehnsucht nach dem Meer ist momentan nicht vorhanden bei mir – die Sehnsucht nach den Bergen spüre ich deutlicher, und seit einigen Tagen weiß ich, dass ich bald wieder in mein geliebtes Armentarola in den italienischen Dolomiten reisen kann. Dort verlebe ich mit Senta regelmäßige Auszeiten vom Alltag als Verlegerin, Autorin und Mentorin und kann Kräfte sammeln für meine Tätigkeit und für die Bücher, die ich schreiben möchte.

Die Fülle des Meeres jedoch umgibt mich jeden Tag, auch wenn Bamberg nicht am Meer liegt.

Und ich beende diesen Blogartikel mit denselben Worten wie schon die vorangegangenen Artikel.

Bitte denke immer daran: Auch diese Krise wird vorübergehen.

Alles ist gut. 

Alles entwickelt sich zu deinem Besten. 

Nur Gutes resultiert aus dieser Situation.

Du bist beschützt. 

Danke, dass ich Teil deines Lebens sein darf.

Herzlichst

Deine Beate Forsbach