Wenn du Sehnsucht hast, erzähl es dem Wind – er wird dich trösten.
Wenn du traurig bist, erzähl es dem Regen – er wird mit dir weinen.
Wenn du Liebe suchst, sieh hinauf zu den Sternen – dort warte ich auf dich.
Senta ging es schlecht in den letzten Tagen. Sie fraß nichts mehr, und sie trank auch nicht mehr in der Wohnung. Nur aus Pfützen auf der Straße –am Donnerstag nahm ich eine Flasche Wasser mit hinaus und goss es in die Regenrinne am Straßenrand – nur damit Senta ein wenig Flüssigkeit zu sich nehmen konnte.
Am Donnerstagabend hatten wir Besuch mit Hund. Als ich „Hans Christian“ sagte, ist sie zusammengezuckt und hat ganz aufmerksam geguckt. Hat sie schon Verbindung zu ihm? Oder immer noch?
In der Nacht wurde ich um 4 Uhr davon wach, dass sie sich übergeben hatte. So schlecht war es ihr. Ich überlegte, wie das hier weitergehen konnte. Ich versuchte, wieder einzuschlafen. Ich wollte versuchen, gelassen zu sein und abzuwarten, wie sich alles entwickelt. Senta sollte es gut haben bis zu ihrer letzten Stunde – aber sie sollte nicht leiden.
Um 8 Uhr hat sie laut gebellt, und ich musste aufstehen, habe sie auf die Terrasse gelassen. Sie hält es nicht mehr so lange aus wie früher. Ich putze die Terrasse immer, damit es ordentlich und sauber ist. Sie ist so ein stolzer Hund.
Am Freitag auf dem Weg vom Kanal zur Wohnung ließ sie sich ganz schwer ziehen. Sie legte sich vor die Haustür, vor den Aufzug, in den Aufzug, und dann oben in die Diele. Sie hat sich dann in der Diele wieder übergeben.
Gegen 12 Uhr bellte sie und wollte auf die Terrasse – dort trank sie aus dem Trinknapf, der draußen steht.
Ich habe Hühnchen mit Reis gekocht, um es ihr ganz frisch zu geben. Aber sie weigerte sich, etwas zu fressen.
Am Abend las ich immer wieder, was mir Jose Arce geschrieben hatte:
„Ich verstehe, wie schwer es dir fällt, und vielleicht ist es dir eine Hilfe, dass ich denke, so lange ein Hund noch Freude am Leben zeigt, egal wie schwer es ihm fällt zu fressen, aber er im Endeffekt noch genug frisst, ist es doch ein Zeichen, dass dieser Hund noch nicht bereit ist zu gehen.“
Nun frisst sie schon seit zwei Tagen nichts mehr, auch keine Leckerli und kein Hühnchenfleisch.
Sie kommt nicht mehr zu mir ins Wohnzimmer.
Als ich das aufschrieb – stand sie auf und kam zu mir. Wir hatten hier eine innige Zeit der Zwiesprache. Zum Schluss hat sie MEIN Leckerli (Käsegebäck) genommen. Das war ein Abschiednehmen voller Liebe.
Dann sind wir wieder auf die Straße, sie muss jetzt öfter. Und hat ganz viel Regenwasser getrunken.
Jetzt liegt sie wieder teilnahmslos in der Diele. Mir bricht es das Herz, das mit anzusehen.
Wir können morgen wohl nicht mehr unseren Hainspaziergang machen.
Muss ich schon den Arzt rufen – oder will sie zu Hans Christian? Sein Todestag ist nächsten Donnerstag!
Früh am Samstagmorgen rief der Tierarzt an und sagte: Nun ist es soweit, er käme mittags nach der Sprechstunde zu uns.
Ich hatte Zeit, mich von Senta zu verabschieden und ihr Ruhe zu geben.
Unser Tierarzt hat den Moment des Abschieds sehr liebevoll und friedlich gestaltet – um 13.15 Uhr hat er Senta erlöst. Kurz darauf war unser Wohnzimmer lichtdurchflutet.
Sie hatte überhaupt keine Angst, ich war ja die ganzen Stunden bei ihr, habe mit ihr gesprochen, ihr Lied „Lalelu“ aus ihrer Babyzeit am Flügel gespielt, wie fast jeden Abend die CD mit den Chopin Nocturnes, und das Lied „Südtiroler Sterne“, das wir in Armentarola so oft abends auf der dunklen Wiese gehört hatten.
Isabelle hatte den Vorschlag gemacht, dass ich wieder einen jungen Hund zu mir nehme – damit Senta auch noch ein wenig Lebensfreude bekäme, so wie es bei Sentas Bruder Barni und dem kleinen Goliath war.
Goliaths Züchterin schrieb mir, dass sie am Samstag auf dem Weg nach Bayern waren, um Oxana, ihre junge Hündin, decken zu lassen.
Die kleine Hanna ist also gezeugt worden, gerade als Senta auf ihre letzte Reise gegangen war. Die Sonne war durchgebrochen und zwei Freunde haben mir erzählt, dass sie einen Regenbogen gesehen haben – einen in der Nähe von Bamberg und einen in Marburg, wo die Freundin, die mir so geholfen hat, einer anderen Freundin erzählt hat, dass Senta gerade gestorben war.
Die Welpen von Oxana werden um den 9. April erwartet – ein Tag vor Palmsonntag und eine Woche vor Ostern!
Wenn das alles so kommt, wie wir es erwarten, werde ich die jungen Hündin Mitte Juni bekommen. Statt nach Armentarola zu fahren werde ich mich dann damit beschäftigen, dass sie sich gut einlebt und stubenrein wird. „Mama“ Senta kann ihr ja leider nichts mehr beibringen.
Heute habe ich einige Tage in Armentarola für Ende März gebucht, weil ich Senta ja versprochen hatte, dass sie wieder dorthin kommt. Das wird dann unsere letzte gemeinsame Reise nach Armentarola sein, weil ich ihre Asche dort, wo sie immer so glücklich war, verstreuen will.
Ich werde zu den Sternen hinaufschauen: Dort, wo wir früher immer drei Sterne gesehen haben – Hans Christian, meine Mama und Sentas Mama Susi – dort werde ich nun vier Sterne sehen.
Jetzt ist es bald Mitternacht – der 10. Februar, Hans Christians 8. Todestag beginnt. Mir fällt das Bild ein, wie Senta vor seinem Grab lag, am 15. Februar 2014. Die Verbindung zwischen ihnen ist niemals abgerissen. Und nun ist sie auf ihre letzte Reise zu ihrem geliebten Herrchen gegangen.
Danke an unsere vielen Freunde für Hunderte von Beileidsbekundungen per Facebook, Whatsapp, E-Mail, traditioneller Post und Telefon. All das tröstet mich sehr – aber der Platz von Senta neben dem Flügel bleibt leer.
Senta ist und bleibt meine geliebte Seelenhündin.
Manche sind unvergessen …
… weil sie ein Leben verändert haben und auch nach ihrem Tod in einem weiter leben.
Man spürt es – in seinem Denken, in seinem Handeln, in seinem Fühlen.
Seelenhunde hat sie jemand genannt – jene Hunde, die es nur einmal geben wird im Leben, die man begleiten durfte und die einen geführt haben auf andere Wege.
Die wie ein Schatten waren und wie die Luft zum Atmen.
Kein Tag vergeht, ohne an ihn zu denken und ohne ihn zu vermissen.
Nur Hundemenschen können verstehen, wie es ist, einen Hund zu verlieren.
Für die Welt war Senta nur ein Hund. Aber für mich war sie meine Welt. Mit ihr ist auch ein Stück von mir gegangen. Doch wir verlieren sie nicht ganz, denn die Erinnerung an Senta bleibt uns für immer.
Ich vermisse dich so sehr
In Liebe
Dein Frauchen